Die Gerichtslinde
Die Gerichtslinde in Pöhlde
Auf dem Thingplatz in der Lindenstraße in Pöhlde wächst eine eindrucksvolle, fast 1000 Jahre alte Sommerlinde. Nach aufwändigen Baumpflege-Arbeiten ergrünt sie an einem mächtigen Stammrest mit Seitentrieben immer wieder aufs Neue.

Die Überlieferung sagt, dass im Jahre 1048 Graf Thietmar, Bruder von Bernhard II. von Sachsen, angeklagt wurde, einen gescheiterten Mordanschlag auf König Heinrich III. in Auftrag gegeben zu haben. Nach einem als Gottesurteil ausgeführtem Zweikampf wurde der Graf auf diesem Platz getötet.
In der Nähe wurde ein Nachfolgebaum gepflanzt, der ebenfalls als Naturdenkmal erfasst ist.
Diese Linde findet sich im Ortswappen Pöhldes wider.
Hier die Geo-Koordinaten: Pöhlde (♁51° 36′ 37,9″ N, 10° 19′ 32,7″ O)
One Comment
Karlo Vegelahn
Hierzu eine Ergänzung aus der Beilage des Osteroder Kreis=Anzeiger, „Unter dem Harze“ Nr.193, vom 24.04.1954
Aus der Geschichte von Pöhlde
Die 1000jährige Gerichtslinde in Pöhlde / Von Otto Zander, Pöhlde
Mit den Schicksalen des Klosters wurde auch eine alte, um¬fangreiche, schattenspendende Gerichtslinde eng verknüpft, die am östlichen Eingang des Ortes auf einem freien Platz, dem „Gerichtsplatz” steht. Das Alter dieses Baumriesen wird auf über 1000 Jahre geschätzt. Zur 1000-Jahrfeier hat diese Linde eine Gedenktafel erhalten, in der kurz auf das „Gottes¬urteil, welches im Jahre 1048 unter dieser Linde stattfand, hingewiesen wird. Der leider allzufrüh verstorbene Heimat¬forscher August Tecklenburg – Göttingen hat der Geschichte diesen Michaelistag erhalten und schildert ihn wie folgt:
Michaelistag des Jahres 1048. Heute ist außerordentlicher Gerichtstag, „Gebotenes Ding”, und eine Klage auf Königsmord steht zur Verhandlung. Vor Wochen schon kam Kunde davon und lief von Ort zu Ort, von Mund zu Mund. Und nun sind sie herbeigekommen in großen Scharen: Mönche und Klosterschüler von Pöhlde, hörige Bauersleute vom Vorwerk und Herrenhof, freie Männer vom Harzrand und Rhumesprung, Weiber und Kinder. Auf der Steinbank unter der Linde aber sitzt ernsten Angesichts der Graf des Lisgaus. Strick und bloßes Schwert liegen vor ihm auf dem Steintisch zum Zeichen, daß Tod und Leben in seine Hand gegeben. Vom Fuß zur Schulter ragt der geschälte Stab, das Zeichen der Gerichtsgewalt, die der Graf an Kaisers Stelle übt. Rechts und links vom Grafen nimmt der „Umstand” seinen Platz, das sind die Schöffen, die das Urteil „schaffen” helfen. Beklemmende Stille jetzt! Man hätte wohl das Laub der Linde fallen hören. Starr wie aus Stein die Menge des Volkes, die Schöffen, der Graf.
Mit vernehmlicher Stimme fragt der Graf die Schöffen: „Ist es Zeit, zu halten ein offenes Gericht?” Und als die Schöffen die Frage bejahen, wendet sich jener zur Seite und spricht: „Arnold, Dienstmann des Grafen Billung getretet vor und erhebt Eure Klage. Ihr aber, Graf Thietmar, tretet dem Kläger gegenüber, hört, wessen er Euch beschuldigt und rei¬nigt Euch, so Ihr es vermöget, von der Anklage!” Zwei hoch- gewachsene Gestalten lösen sich vom Rande des Ringes, treten inmitten des Umstandes vor den Steintisch und messen einander mit scharfem Blick.
Und Arnold, der Dienstmann, bringt seine Klage: „Ich be¬schuldige Euch, Graf Thietmar, daß Ihr unsern königlichen Herrn, den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, Heinrich III., freventlich nach dem Leben getrachtet, beschuldige Euch, daß Ihr Eure Dienstmannen angestiftet, den Königsmord zu vollbringen. Als im Sommer dieses Jahres unser kaiserlicher Herr zu Gaste war in Bremen bei Herrn Adalbert, dem Erzbischof, geschah es, daß er von Lesum nach Marsel ritt, mit ihm Herr Adalbert und wenige Mannen. Und als sie ein einsam Gehölz durchreiten, wird’s plötzlich zur Seite lebendig; verkappte Reitersleute sprengen daher, stürzen sich mit blankem Schwert auf den arglos reitenden Kaiser: und hätte nicht Herr Adalbert frühzeitig die Gefahr erspäht und mit seinen Leuten im Namen Gottes die Hand schützend über des Kaisers Majestät gebreitet, — wahrlich, ein Königsmord lastete heute auf dem Sachsenlande und auf Euch, Graf Thietmar. Denn Eure Leute waren es, die zu Königsmord ausritten, und Ihr wäret es, der sie dazu verleitete, und damit ich meine Worte erhärte mit bestimmter Tatsache, so erkläre ich laut und öffentlich vor Richtern und allem Volk: auch mich wollet Ihr für den Mordanschlag dingen; ich aber weigerte mich solcher Tat, wandte mich ab von Euch und stehe nun hier als Kläger gegen Euch und Eure Leute, als Kläger auf Königsmord”.
Eine Bewegung geht durch die Menge. Dann wieder Totenstille und gespannte Erwartung. Regungslos steht der Beklage noch immer mit starrem Blick. Nicht mit der Wimper hat er gezuckt bei der schweren Anklage. Jetzt aber wirft er den Kopf zurück, greift mit der Rechten an den Knopf seines Schwertes, mißt seinen Gegner mit einem Blick glühenden Hasses und spricht laut und vernehmlich: „Rechtfertigen? Nun ja! Aber nicht mit leerem Wort. Mein Schwert und Gott! —- sie sollen sprechen für oder wider mich. Arnold, Vasall der Billungsn, ich fordere dich zum Zweikampf hier auf umhegter Malstatt vor aller Angesicht, vor steigender Sonne und fallendem Laub, vor Richter und Schöffen! Und Gott selbst möge entscheiden, ob ich des Königsmordes zu Recht beschuldigt bin oder nicht!”
Der Graf fragt den „Umstand”, ob er den Zweikampf gestatte. Die Schöffen geben ihre Zustimmung.
Jetzt kreuzen sich die Klingen! Waffenklang und Schwert¬geklirr. Funken stieben vom Stahl. Einander gewachsen sind die Gegner. Entscheidungslos dehnt sich der Kampf.
Da schreit’s aus dem Ringe: „Blut! Blut! Graf Thietmar ist getroffen!” In breitem Streifen rinnt das Blut die Wange herab. Eine klaffende Kopfwunde raubt dem Grafen fast die Besinnung; sein Widerstand erlahmt; er sinkt Boden.
Die angstvolle, minutenlange Spannung ist gelöst. „Gott hat gerichtet; Königsmord beschweret doch sein Gewissen,” heißt es in der Menge. „Gott hat gerichtet; schuldig ist Graf Thiet¬mar des Königsmordes”, spricht ernst und feierlich auch der Gaugraf und läßt seinen Richterstab sinken. Den Spruch des Grafen begleitete die Menge mit beifälligem Murmeln. — Das „Gebotene Ding” ist geschlossen. —