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Tanzvergnügen nach dem Krieg!

So fing es wieder an…

Unternehmen Rückholaktion Pauke.

Die Pauke hatte ich geholt mit dem Sachs-Motorrad, die hatten die Polen* mitgenommen bei Kriegsende. Und dann hatte ich ausgekundschaftet, die stand in Hilkerode, als die Polen* weg waren. Und dann bin ich mit dem Sachs Motorrad nach Hilkerode gefahren und habe mir das Ding auf den Puckel geladen und habe die nach Hause getragen, die Pauke. Ihr könnt es euch nicht vorstellen, das war eine Reife Leistung. Und das genau auf Fronleichnam, durch Rhumspringe. Und die Straßen so schön geschmückt, ooohhh da lagen die Sterne, aus den langen Blättern hatten sie die so schön… da bin ich drüber weg gebrettert…. Ich hab das doch gar nicht gewusst… lacht Ich bin ja später erst gescheit geworden… lacht Junge…

Die Kapelle stellt sich vor.

Und dann kam Walter Schmitz, Hermann Wieses Schwiegervater auf dem Klavier, der machte aber nur pock pock pock *klopft auf dem Tisch im Rythmus*, nur Begleit…, sonst… Melodie war nicht, nur PockPockPock lacht Leute… und dann Kurtchen Nachler mit der Trompete, Albert Lohrengel mit der Geige, ich am Akkordeon. Also wir drei waren erst einmal die Stimmträger. Dann Walter Schmitz mit dem Klavier und Wilhelm mit der Pauke, der machte BUMM Pock Pock Pock, und hatte eine Trommel dabei, weiter hat er nichts gehabt, Pauke und Trommel, Schluss aus. Das war das, was von der Blasskapelle noch war, das hat er noch intus gehabt. Also Tackt konnte der halten, prima sogar! Der hat auch manches Mal richtig drauf gedroschen, manches Mal auch leise, Piano, nicht wahr, also das ging.

Die ersten Tanzvergnügen nach dem Krieg.

Aufgespielt haben wir bei Pösi, bei Andres, dann ging das los, das hat Heini Thiele in die Gänge gebracht, der wohnte im Oberdorf, wo jetzt die Fahrschule drin ist, bei Leunig schräg gegenüber unterhalb der Mühlengrabenbrücke, wo jetzt der Schlachterladen ist. Und Albert Thiele, der Türke, die haben das Angeleiert. Die kamen auf einmal an:

„Menschenskind, sacht mal, ihr könnt doch Musik machen, wollen wir doch mal Tanzmusik veranstalten? Am 1. Januar, Neujahrskonzert machen?“

Naja, dann haben wir uns angeguckt, dann sind sie zu Pösi gegangen, zum alten Wilhelm,

„Onkel Wilhelm, wir wollen Tanzmusik machen! Es war lange genug nichts! Und die jetzt wieder zu Hause sind, die wollen gerne mal wieder tanzen…“
„Naja, wenn ihr meint?!“


Und die meinten und wir meinten dann auch, wir Fünfe, und dann ging das Handwerk los. Ach Mensch, was haben wir alles gespielt? „Du schwarzer Zigeuner**“ singt Diese alten Klamotten. Die hat jeder gekonnt, es hat jeder mitsingen können und die haben geschwuppt wie die Verrückten und das ging die halbe Nacht durch. Und man war froh, das wieder was gemacht wurde, ja…


Musik, Arbeit, Lohn.

Und das dauerte nicht lange, 14 Tage später wollte der Gesangverein mit dabei machen, damals hat ja noch jeder Verein einen Ball gemacht und der Saal war immer brechend voll.

„Ihr habt doch da so schön gespielt, wollt Ihr nicht noch mal…?“
„Dooooch…“
„Was wollt Ihr denn haben dafür?“


Naja, und dann ging das schon los… aber wenn du eine halbe Nacht für 30 Mark da rumgegeicht hast, das war billig genug. Das war manches Mal Quälerei.

„Aber Ihr wart doch auch Stars?“
„Ja, wir waren auch kleine Stars“
lacht

Wir waren auch Stars im Trinken! Die dreißig Mark haben wir mit nach Hause genommen, oooohhh, aber da ging oft ein Bier hoch zur Kapelle, das kann ich euch sagen, und wenn wir hier beim alten Wilhelm gespielt haben, und es war Zwölfe, halb eins, dann kam seine Schwiegertochter hoch

„Vespern! Kapelle macht Pause!“

Und wir gingen runter nach vorne in die Gaststube und da war der Tisch gedeckt, Wurst hat er ja genug gehabt in seiner Schlachterei, Glas Bier dazu und dann wurden wir richtig mager „schneid mager“ abgemacht. Und dann ging es noch mal los ein paar Stunden, Junge, Junge…

Karnevals-Kapelle

Wir haben Karneval, Rosenmontag in Pöhlde gespielt, Kappenfest, da haben wir in Pöhlde fast bis zum Morgen gespielt, dann Sonntag in Rhumspringe, die haben Sonntag gemacht und Montag waren wir in Hilkerode, die haben Rosenmontag gefeiert. Oha… Drei Tage hintereinander, Kinder noch einmal…


Tanz in Hilkerode – Reise mit Tücken

Dann hatte ich damals eine Prothese, da war der Unterschenkel aus Aluminium. Das war ganz etwas Modernes, und ich wollte unser Schlagzeug mit reinholen in den Zug in Rhumspringe… Das hatten wir in Rhumspringe stehen lassen auf dem Bahnhof, und wollten das jetzt auf den Zug einladen, der fuhr ja weiter nach Hilkerode. Und wir steigen dort mit aus und da macht die Prothese nach hinten durch. Da war oben die Kante abgebrochen oder eingebrochen und dann habe ich versucht wieder mit List und Tücke in den Wagen zu kommen.
Schlagzeug und Krams konnten die anderen alleine einpacken. Und dann von Hilkerode vom Bahnhof bis nach Wollersen im Ort, und dann habe ich mir vom Wollersen eine Zange geben lassen und so ein Ende Bindedraht, so einen richtigen Rödeldraht und dann habe ich das da rum gerödelt und so umgeschlagen, damit die Hose nicht kaputt ging und dann konnte ich wieder Laufen. Und dann haben wir da geschlafen! Feierabend, das war so vereinbart, so um Dreie rum, dann konnten wir zwei Stunden ins Bett gehen und um 6 Uhr fuhr der erste Zug. Da standen wir in Hilkerode wieder auf dem Bahnhof und fuhren mit dem Zug nach Hause, das kann ich euch sagen, das waren Touren. Ich hatte mir aber für Dienstag bis Mittag Urlaub genommen. Paar Minuten schlafen musste man ja.. Und dann habe ich bis Mittag geschlafen, angezogen, fertig gemacht, zu Mittag gegessen, Fahrrad, hoch, wieder auf die Arbeit.

Aus der Erzählung von Werner Schulz(†)

*Im Originalton „Polacken“ von Polak, polnisch für Pole, im damaligen Sinne ohne negative oder abwertende Bedeutung gemeint.
** Die Nennung Zigeuner geschieht hier aus Gründen der Historientreue, ohne jegliche Abwertung gemeint, in Bezug auf das Lied von Vico Torriani – Du Schwarzer Zigeuner (1953) – YouTube

2 Comments

  • Friedhelm Degener

    Ich habe beide Geschichten meiner Frau vorgelesen. Und wir fühlten uns in die damalige Zeit versetzt. Werner Schulz kannten wir ja auch sehr gut. Er hat immer sehr interessant erzählt. Ich war so gerührt von diesen Erzählungen, dass mir beim Lesen kleine Tröpfchen über die Wangen liefen. Weiterso!
    Danke Lars.

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